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SOS: Börsen-Crash voraus
Michael Brückner
Offiziell herrscht noch Champagner-Stimmung an den Börsen. Doch hinter den Kulissen machen sich unabhängige Experten große Sorgen: Die derzeitige Situation weist beunruhigende Parallelen zum Jahr 2000 auf, als die Internet-Blase platzte und die meisten Anleger sehr viel Geld verloren. Schon empfiehlt der weltweit größte Vermögensverwalter seinen Kunden, auf der Hut zu sein und Vorbereitungen für einen schnellen Ausstieg aus dem Aktienmarkt zu treffen.
Eigentlich ist es ganz einfach und bequem, viel Geld zu verdienen. Jedenfalls, wenn man der Mehrheit der Aktienanalysten und den Mainstreammedien glaubt: Trotz neuer Höchststände an den wichtigsten Börsen sei die Aktien-Hausse lange noch nicht vorüber, wird den Kleinanlegern erzählt. Und im Übrigen gebe es angesichts von Mini-Zinsen unterhalb der Inflationsrate ohnehin
keine Alternative zu Aktien und Aktienfonds. Mit anderen Worten: Der Anleger hat die Wahl, sich entweder schleichend enteignen zu lassen oder aber in überhitzte Aktienmärkte mit akuter Crash-Gefahr zu investieren.
Tatsächlich war das gerade zu Ende gegangene Jahr 2013 geprägt von neuen Börsenrekorden. Der deutsche Aktienindex Dax legte um 25,5 Prozent zu, der amerikanische Dow Jones ebenfalls um fast ein Viertel und der S&P-500-Index brillierte sogar mit fast 29 Prozent. Als absoluter Performance-Start erwies sich indessen der japanische Nikkei-225-Index, der das Jahr 2013 mit einem Plus von sage und schreibe 50 Prozent beendete. Es gibt schon zu denken, dass ausgerechnet in den Wirtschaftsregionen mit den höchsten Schulden die Börsen am kräftigsten zulegten.
Doch jeder Autofahrer weiß: Wenn man ständig nur in den Rückspiegel schaut, wird es vorn sehr schnell brandgefährlich. Steuern wir mit Vollgas in den nächsten Super-Crash? Tatsächlich spricht manches dafür. Vor allem die beunruhigenden Parallelen zu der Internet-Blase zum Jahrtausendwechsel stimmen höchst nachdenklich. Geradezu hysterisch steckten Anleger damals ihr Geld in zwielichtige Internet-Hintertreppen-Unternehmen – und verloren prompt große Teile ihres Vermögens.
Heute sind es vor allem die so genannten Sozialen Netzwerke, denen vom angeblich schnellen Reichtum geblendete Anleger ihr Geld anvertrauen. Verwundert reibt sich da mancher die Augen: Wissen diese Investoren eigentlich, was sie tun? Der Hype um Social Media treibt an den Börsen längst bizarre Blüten: Der Börsenneuling Twitter etwa wird aktuell mit rund 31 Milliarden US-Dollar bewertet, obgleich der Kurznachrichtendienst allein in den ersten drei Quartalen des Jahres 2013 Verluste von circa 134 Millionen Dollar einfuhr.
Doch es geht noch eine Nummer skurriler: Der Video-Dienst Snapchat hat bislang noch keinerlei Einnahmen erzielt, wurde aber vor einem Jahr bereits mit 70 Millionen Dollar bewertet. Angeblich soll Google jüngst nicht weniger als vier Milliarden Dollar für dieses Unternehmen geboten haben. Das ebenfalls nahezu umsatzlose Internet-Unternehmen Pinterest hat laut Medienberichten zurzeit einen Wert von 3,8 Milliarden Dollar – 50 Prozent mehr als noch vor einem halben Jahr! Facebook wiederum erwirtschaftet zwar Gewinne, doch müsste das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) dieser Aktie eigentlich jeden Investor abschrecken. Selbst wenn die ambitiösen Gewinnprognosen des Unternehmens für 2014 eintreffen sollten, liegt das KGV bei 48. Das heißt: Der derzeitige Aktienkurs entspricht anteilig dem 48-fachen Jahresgewinn. Die Technologiebörse Nasdaq schließlich liegt seit Anfang 2009 mit über 150 Prozent im Plus.
Eine weitere atemberaubende Parallele deutet ebenfalls auf einen baldigen Crash hin: Ähnlich wie zur Jahrtausendwende wird zunehmend auf Pump spekuliert. Das billige Geld macht es möglich. Berichten zufolge haben die Wertpapierkredite in den USA inzwischen fast 26 Prozent des Volumens aller ausgegebenen Unternehmenskredite erreicht. Ein solches Niveau gab es bislang nur einmal – während der Hightech-Blase im Jahr 2000.
Das zeigt überdeutlich, wohin das billige Geld der führenden Notenbanken fließt: In den Krisenländern kaufen Banken Anleihen ihrer klammen Staaten. In den anderen Ländern wird das Geld in erster Linie in den Aktienmarkt gepumpt. Kein Wunder also, dass die weltweit größte Investmentgesellschaft BlackRock vor einem Crash mit unabsehbaren Folgen warnt, sobald die Notenbanken ihre lockere Geldpolitik einstellen. Ausdrücklich empfehlen die New Yorker Vermögensverwalter ihrer betuchten Klientel, alle Vorbereitungen für einen schnellen Ausstieg aus dem Aktienmarkt zu treffen. Der BlackRock-Indikator, der das Verhältnis von Unternehmenswerten zu den Gewinnen widerspiegelt, sei fast so hoch wie kurz vor dem Platzen der Internet-Blase im März 2000.
Auch in Deutschland wagen die ersten Experten von dem euphorischen Mainstream abzuweichen. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, bezeichnet das Potenzial des Dax als weitgehend ausgeschöpft. Ihr Institut hält einen Einbruch beim Dax von 1000 Zählern für möglich. Und das wäre noch ein vergleichsweise moderater Crash. Andere Analysten sprechen sogar von Rückschlägen von 20 Prozent und mehr. Das entspräche einem Minus von etwa 1900 Punkten.
Anleger, die sich mit dem Gedanken tragen, jetzt noch in den überhitzten Aktienmarkt einzusteigen, sollten immer an die unbarmherzigen Gesetze der Mathematik denken: Verliert eine Aktie um 50 Prozent an Wert, muss sie anschließend um 100 Prozent zulegen, damit der Anleger wieder seinen Einstiegspreis erzielt. Und ein 50-prozentiger Abschlag wäre vor allem bei den völlig überbewerteten Internet-Aktien keine Überraschung.
Es könnte aber auch noch viel schlimmer kommen, wenn das Worst-Case-Szenario der Volkswirte der dänischen Saxo Bank eintreten sollte. Sie unterstellen dabei nicht nur ein Platzen der Internet-Blase, sondern darüber hinaus eine Rezession in Deutschland, weil viele Unternehmen aufgrund der hohen Energiepreise in die USA abwandern. Überdies halten die dänischen Banker die EU-weite Einführung einer Vermögensabgabe und einen schweren Aktiencrash in Frankreich für möglich.
Schon seit Wochen wird am Finanzplatz Frankfurt kolportiert, die institutionellen Großanleger säßen gleichsam auf gepackten Koffern, um kurzfristig aus dem Aktienmarkt auszusteigen und rechtzeitig vor einem Crash noch ordentlich Kasse zu machen. Dann blieben wieder einmal die Kleinanleger auf ihren Verlusten sitzen. Kurzfristig, so ist zu hören, dürften die Großinvestoren die gegenwärtige Börsenrallye noch laufen lassen, um zusätzliche Gewinne zu erzielen. Das Kalkül: Vor den Europawahlen im Mai werde die Europäische Zentralbank alles tun, um neuerliche Turbulenzen in der Euro-Zone zu verhindern. Also werde vorläufig auch die Politik des sehr billigen Geldes beibehalten. Geld, das größtenteils wieder in die Aktienmärkte fließen dürfte – mit dem Ergebnis kurzfristig nochmals steigender Kurse. Doch das ist nicht unbedingt eine beruhigende Botschaft: »Je größer die Fallhöhe, desto lauter der Aufprall«, sagte dieser Tage ein skeptischer Börsianer hinter vorgehaltener Hand.