Steinhoff: Ist diese Bankrotterklärung der Anfang vom Ende?
Ralf Anders, Motley Fool beitragender Investmentanalyst | 8. Oktober 2018
Es hat sich zwar in den letzten Tagen schon angedeutet, dass die amerikanische Matratzentochter von Steinhoff International (WKN:A14XB9) den Weg in die Insolvenz gehen könnte, aber da zuvor durchaus Hoffnung geschürt wurde, dass ein Turnaround unter dem Holding-Dach gelingen könnte, ist es zunächst doch eine Enttäuschung für viele Aktionäre. Andererseits entledigt sich Steinhoff nun einer weiteren Sorge, sodass es Licht und Schatten gibt.
Mattress Firm steht Steinhoff kaum nach
Es ist ein handfester Skandal im Skandal, was mittlerweile über die Machenschaften rund um den Matratzenhändler bekannt geworden ist. Nicht nur, dass Steinhoff aus bisher nicht geklärten Gründen einen überzogenen Preis für die Übernahme bezahlt hat (dazu haben die Forensikleute von pwc Ende des Jahres vielleicht noch etwas zu erzählen), sondern auch die operativen Vorgänge innerhalb des Unternehmens sind skandalös. Es ist von Managern die Rede, die auf Kosten des Konzerns mit Immobilienfirmen gemeinsame Sache gemacht hätten, als das Vertriebsnetz mit Rekordgeschwindigkeit ausgebaut wurde.
Plötzlich waren komplette Innenstädte zugepflastert mit Filialen, die sich gegenseitig die Kundschaft abspenstig machten und unmöglich profitabel betrieben werden konnten. Viele Einheimische waren sich sicher, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugehen kann, und vermuteten Geldwäsche. Bis heute läuft diese Verschwörungstheorie als Running Gag in den sozialen Netzwerken weiter.
Gleichzeitig wurde viel Geld mit ineffizientem Marketing und für die Umstellung der Lieferantenstrukturen verbrannt. Das Ergebnis war, dass Mattress Firm die einzige verbliebene Steinhoff-Tochter war, die dringend Liquidität von der Holding gebraucht hätte, diese aber aufgrund der Gläubigerauflagen nicht geben konnte. Weil sich auch sonst kein Geldgeber fand, der an einen Turnaround aus eigener Kraft geglaubt hätte, hat man sich nun entschieden, die Tochter in ein Insolvenzverfahren zu schicken.
Die direkten Folgen für Steinhoff
In Deutschland bedeutet Insolvenz häufig, dass die Eigenkapitalinvestoren ziemlich leer ausgehen. Selbst wenn der Betrieb weitergeführt wird, verlieren diese fast alles durch die Verwässerung ihrer Anteile, wenn nicht bedientes Fremdkapital in Eigenkapital gewandelt wird. Ganz so schlimm muss es für Steinhoff nicht kommen, aber dass sich weiteres Eigenkapital in Luft auflöst, dürfte sicher sein.
Der größere Teil des Firmenwerts (Goodwill) der Mattress Firm wurde bereits zum 30. September 2017 rückwirkend abgeschrieben, sodass am 31. März 2018 noch 1,02 Mrd. Euro in den Büchern standen. Zudem finden sich dort 1,05 Mrd. Euro an immateriellen Vermögenswerten, die nun ebenfalls im Feuer stehen. Im Extremfall könnte die Bilanz folglich um über 2 Mrd. Euro belastet werden.
Nachdem im März noch 3,8 Mrd. Euro Eigenkapital berichtet wurden, davon 2,4 Mrd. Euro den Aktionären von Steinhoff zustehend, könnte es nun ganz schön knapp werden, wenn man bedenkt, dass sich zwischenzeitlich auch noch Verluste addierten.
Wie es nun weitergeht
Allerdings sieht der Plan vor, dass Steinhoff 49,9 % der Anteile an Mattress Firm behalten kann. Investoren aus dem Gläubigerlager werden 250 Mio. US-Dollar zunächst als Massedarlehen in den strauchelnden Einzelhändler einschießen, um dem Turnaround eine Chance zu geben. Das Insolvenzverfahren auf der anderen Seite soll die Restrukturierungsanstrengungen beschleunigen helfen. Leasingverträge können durch den Gläubigerschutz schnell gekündigt werden, sodass sich das Unternehmen auf günstige Weise bis zu 700 Filialen entledigen kann.
Schon nach 1,5 bis 3 Monaten will man aus dem Insolvenzverfahren wieder herauskommen. Für diesen Fall sind bereits neue Kredite zugesagt und dann soll der Weg zurück zur Profitabilität frei sein. Um das Management bei der Stange zu halten, werden diesem Aktienpakete versprochen, die im Erfolgsfall ausgegeben werden. Dadurch würde sich der Anteil von Steinhoff weiter verringern auf bis zu 45 %.
Zunächst muss allerdings das Insolvenzgericht von Delaware dem Plan noch zustimmen. Die Erfahrung zeigt, dass amerikanische Behörden da nicht zimperlich sind. Bei General Motors (WKN:A1C9CM) hat es 2008 ja auch funktioniert. Meine Erwartung ist daher, dass wir in einigen Monaten einen Matratzenvertrieb mit bis zu 2,5 Mrd. Euro Jahresumsatz sehen werden, der wieder auf eigenen Beinen stehen kann.
Der Wert der Tochter wird sicherlich auf absehbare Zeit ein gutes Stück geringer sein als der Umsatzbetrag, sodass ich den Anteil von Steinhoff auf deutlich unter 1 Mrd. Euro schätzen würde, vielleicht auch nur wenige Hundert Millionen. Aber so angespannt, wie die bilanzielle Lage bei Steinhoff weiterhin ist, könnte dieser Wert einen großen Unterschied machen, wenn es darum geht, ob die Holding die Krise übersteht.